Damals, vor etwa 40.000 Jahren, spielte schon einmal das Klima verrückt. Die Eiszeit lag in den letzten Zügen, es wurde wärmer. Eben noch haben die Neandertaler sich in Felle gehüllt, um mit den maximal 10°C im Hochsommer klar zu kommen, da weigern sich ihre Töchter schon, die Höhle zu fegen, weil es viel mehr Spaß macht, sich draußen in der Sonne aufzuhalten.
Die Mammuts mit ihren langen Haaren wanderten in Richtung Nordosten weg, um der schwindenden Kälte zu folgen. Aus der Gegend, die später zum Orient werden sollte, kommen plötzlich haufenweise drahtige, flinke Jäger mit Wurfspeeren und anderen neuartigen Werkzeugen. Damit erlegen sie das letzte noch vorhandene Großwild, während Neander-Opa noch grübelt, was zu tun ist.
Denn ja, auch damals gab es sie schon. Die Clan-Chefs und Sippenhäuptlinge mit der unerschütterlichen Überzeugung, „das haben wir die letzten tausend Jahre so gemacht, das ändern wir nicht“. Ein trotziges Verharren auf alten Denkmustern in einer sich wandelnden Welt. Letzten Endes führte das dazu, dass wir heute nicht mehr zum Neandertaler unseres Vertrauens nebenan gehen und ihn nach den Erlebnissen seines Opas fragen können.
Auch ohne auf Augenzeugenberichte zurückgreifen zu können, bin ich absolut sicher, dass es zu dieser prähistorischen Zeit in allen herumziehenden Steinzeitgruppen bereits vorausschauend denkende Warner und Quengler gab. Mit Sicherheit haben Jungspunde unter den Neandertalern einen Aufstand geprobt, wenn der Oberguru zum Aufbruch gen Süden aufrief; weg von den schmelzenden Eismassen und den immer zahlreicher werdenden Vertretern des Homo sapiens, hin ins vermeintliche Paradies mit den sich selbst als Nahrung opfernden Herden.
Klebstoff war noch nicht erfunden, aber bestimmt flog auch damals schon manch ein Suppentopf gegen eine Höhlenmalerei, auf der die vermeintlich gute alte Zeit eine erfolgreiche Mammutjagd abbildete, als die Jüngeren versuchten, ihren Protest auszudrücken. Was waren deren Forderungen? Nicht nach Süden gehen, sondern nach Norden. Und es dem Homo sapiens gleich tun und hier und da mal auf einer Wurzel herumkauen, statt immer nur auf Fleisch zu bestehen. So völlig abstruses Zeug halt, mit dem der klassisch konservative Neandertaler so rein gar nichts anfangen konnte.
“Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, sondern nur diejenige, die am ehesten bereit ist, sich zu verändern.”
Charles Darwin, bedeutender britischer Naturforscher (1809-1882)
Wie die Geschichte ausgegangen ist, wissen wir alle. Nach derzeitigem Kenntnisstand haben es die Neandertaler bis in die Region um Gibraltar geschafft, bevor sie dann schlussendlich ausgestorben sind. Manch einer findet vielleicht glorifizierende Worte für solches Verhalten. „Den Grundsätzen treu bis in den Tod“. Aber ist das nicht einfach nur Schönfärberei für völlig unvernünftiges Handeln?
Stichwort „vernünftig“. Die Gattung Homo, die sich selbst den Beinamen „sapiens“, also „weise“, gab, fand auf dem europäischen Kontinent schier paradiesische Bedingungen vor. War man es aus dem afrikanischen und asiatischen Raum noch gewohnt, hart ums Überleben kämpfen zu müssen, floss hier im Vergleich dazu sprichwörtlich Milch und Honig in den Flüssen. Schützende und Nahrung liefernde Wälder, fruchtbare Böden und ein sich im angenehmen Bereich stabilisierendes Klima.
Genetisch ist nachgewiesen, dass es zu manch einer Liaison zwischen den beiden Homo-Vertretern neanderthalensis und sapiens kam. Ob vielleicht darin die Ursache zu suchen ist, dass die Vertreter der sapiens-Linie einen Teil ihrer Neugierde aufgaben und einen der wohl folgenschwersten Fehler ihrer Geschichte begannen, indem sie sesshaft wurden?
Jedenfalls hat sich die widersinnige Störrigkeit vererbt bis heute. In der Gesellschaft als Ganzes ein unübersehbares Phänomen. Aber auch und besonders in den Betrieben der heutigen Zeit weit verbreitet. “Das haben wir doch schon immer so gemacht.” Der Mensch mag es nicht, wenn sich etwas ändert. Es sei denn, einer ganz oben gibt die Richtung vor und begeistert für etwas Experimentiergeist.
Es wird Zeit, dass wir zur alten Neugierde, zum Entdecker- und Erforschungsdrang zurückkehren. Es wird Zeit für neue Manager. Lasst uns anfangen.
Clark,
im August 2023
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