Wer mich kennt, weiß, dass ich im Begriff „konservativ“ eher einen Fluch, als denn einen verfolgenswerten Aspekt sehe. Und doch erwische auch ich mich gelegentlich dabei, mir eine Besinnung auf bereits vorhandenes Wissen und bewährte Prozesse zu wünschen. Wie bei allem im Leben ist es weniger der Inhalt von Traditionen, als denn die Art von Vermittlung, die mir immer wieder aufstößt.
Einen Grundsatz, den man auch ins Arbeitsleben übertragen kann. Wenn beim Fußball eine früher mal Pokale erzielende Mannschaft keine sonderlich brauchbare Leistung mehr erbringt, wechselt man den Trainer aus. Wenn eine Abteilung in einem Unternehmen die gewünschte Leistung nicht erbringt, wechselt man die Abteilungsleitung aus. Erhofft sich das Management einen „großen Sprung“, wird auch gerne mal gleich die übergeordnete Ebene mit ausgetauscht.
„Den Fortschritt verdanken wir den Nörglern. Zufriedene Menschen wünschen keine Veränderung.“
H. G. Wells, englischer Schriftsteller, Pionier der Science-Fiction-Literatur (1866-1946)
Der kluge Trainer, genauso wie der kluge Abteilungsleiter, recherchiert nach den vergangenen Zeiten und analysiert, was denn damals zum Erfolg geführt hat. Dann vergleicht er mit den aktuellen Rahmenbedingungen und versucht aus den gegebenen Mitteln den früheren Zustand wieder herzustellen. Das ist eine Form des Konservatismus, mit der ich jederzeit mitgehe. Doch sie ist selten geworden.
Der durchschnittliche Trainer, genauso wie der durchschnittliche Abteilungsleiter, greift aufs Lehrbuch zurück. Manchmal wenigstens noch in Verbindung mit eigenen Erfahrungen aus früheren Erfolgen. Ob diese nun zur aktuellen Situation passen oder nicht, spielt keine Rolle. Es wurde schon immer so gemacht und alle anderen machen das auch so, also muss es hier auch funktionieren.
So folgt dann eine Neuorganisation auf die nächste Umstrukturierung, bis am Ende wirklich überhaupt niemand mehr weiß, wie irgendetwas funktionieren soll.
Und was ist dann im Zeitalter des ultimativen Ergebniserbringungsdrucks die Geheimwaffe des Managements zur Lösung des Problems? Genau: einfach den Trainer austauschen.
So lange und immer wieder, bis Christian Lindners Ausspruch „der Markt regelt das“ endlich greift… und das Management mitsamt dem ganzen Unternehmen von der Bildfläche verschwindet. Manch einen Fußballverein hat es auf dem Weg dahin schon tief in die zweite Liga geritten. Manch ein Politiker redet dann gerne von zyklischer Marktbereinigung.
Und manch ein Mensch denkt vielleicht auch mal darüber nach, dass es hier um Existenzen geht. Man könnte ja mal neue Wege ausprobieren. Aber sowas steht ja nicht im Lehrbuch.
Clark,
im Juli 2023
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Bildnachweis > Clark Ahten, See Gernsheim