Schon allein der Begriff „Work-Life-Balance“ ist Humbug!
Das Wort „Balance“ ist abgeleitet aus dem lateinischen Begriff für eine Waage (gleichsam im Übrigen auch der deutsche Begriff aus der Buchhaltung „Bilanz“). Bedeutet, es handelt sich um ein Gebilde mit zwei getrennten Seiten, die möglichst von gleicher Masse sein sollten, um sich gegenseitig zu neutralisieren. Daher auch der Begriff „Gleichgewicht“.
Aber die Arbeit ist ein Bestandteil des Lebens! Man nehme die aus der Physik entlehnte Definition des Begriffes Arbeit: „Arbeit ist eine physikalische Größe, die sich aus den Größen Kraft und Weg herleitet und eng mit der Energie verknüpft ist.“ Gibt es eine bessere Definition für den Begriff „Leben“? Wo beginnt denn das, was wir im Alltagssprachgebrauch als „Arbeit“ bezeichnen? Ist es der Moment, an dem sich ein Mensch an den Schreibtisch setzt und die Computertastatur bedient? Oder ist es schon der Moment, in dem er morgens nach dem Aufstehen die Bartstoppel rasiert und das Hemd bügelt, beides Tätigkeiten, die er nicht machen würde, wenn er nicht an den Schreibtisch müsste. Ist es noch Arbeit, wenn er am Schreibtisch sitzend die Website des Urlaubsportals nach den besten Bewertungen eines Hotels durchforstet? Ist es keine Arbeit, wenn er in der Mittagspause durch die Straßen rennt, um sich irgendwas zu besorgen, was er arbeitsreich in eine Mahlzeit verwandeln kann? Wo endet Arbeit und wo beginnt Leben? Kann es Arbeit überhaupt ohne Leben geben?
Ich behaupte: nein! Eine „Work-Life-Balance“ existiert nicht, denn beide Bestandteile liegen auf der gleichen Seite in der Waagschale. Wenn sich alles in einem Topf befindet, kann man vielleicht ein gutes Gemisch erzeugen, aber niemals eine Balance herstellen. Der Topf bleibt immer gleich schwer!
„Erfolg kommt dann, wenn du tust, was du liebst.“
Albert Einstein, theoretischer Physiker deutscher Herkunft und weltbekanntester Wissenschaftler (1879-1955)
Man muss also das Beurteilen, was eigentlich mit dieser fälschlicherweise etablierten Phrase gemeint ist, nämlich eine Arbeit, die nicht den Lebensinhalt bestimmt. Wobei auch diese Beschreibung nicht korrekt ist. Wenn ein Mensch einmal seine Erfüllung in der richtigen Arbeit gefunden hat, lässt er sich nur zu gerne von seiner beruflichen Aufgabe den Inhalt und Rhythmus seines Lebens vorgeben. Eins der besten Beispiele sind hier Sportler oder auch Musiker. Aber auch die meisten ernstzunehmenden Wissenschaftler können sich ein Leben ohne ihre Arbeit nicht mehr vorstellen. Die Definition muss entsprechend eher anders lauten.
Es gibt einen inzwischen leider bereits verstorbenen Professor, auf dessen Lebenswerk ich in zahlreichen weiteren Blogs noch weiter eingehen werde: Dr. Frithjof Bergmann. Sein Schaffen legte einen der Grundsteine für die New-Work-Bewegung. Auf Wikipedia wird der Kern sehr gut in zwei Sätzen zusammengefasst: „Unter dem Begriff der Freiheit versteht Prof. Bergmann nicht einfach nur Entscheidungsfreiheit zwischen mehreren Alternativen, sondern die völlige Handlungsfreiheit. Da das System des Verkaufens von Lebenszeit gegen Entgelt (das „Job-System“) an seinem Ende angekommen ist, hätte die Menschheit jetzt die Chance, sich von der Knechtschaft der Lohnarbeit zu befreien. Zentrale Werte der „Neuen Arbeit“ sind Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft. Diese solle aus drei etwa gleichen Teilen bestehen: Erwerbsarbeit zur Basiseinkommenssicherung, Selbstversorgung auf höchstem technischem Niveau sowie „Arbeit, die man wirklich, wirklich will“, also eine die inneren Sehnsüchte erfüllende Tätigkeit.“
Diese Dreiteilung klingt im ersten Moment merkwürdig. Doch wenn man in der vorindustriellen Zeit irgendjemandem etwas von ‚Anstellungsverhältnis‘ und ‚Monatseinkommen‘ erzählt hätte, wäre man auch nur verwundert angeschaut worden. Und auch damals schon brauchte es viele, viele (zumeist leider äußerst blutige) Geburtswehen, um den Wechsel von der Adelssteuerung auf die Großindustriellen zu ermöglichen. Nun sind wir längst schon in der postindustriellen Zeit angekommen. Es steht längst schon fest, dass nicht mehr genug bezahlte Arbeitsplätze vorhanden sind, um das System der vergangenen anderthalb Jahrhunderte weiterhin erfolgreich zu betreiben.
Nein, es mangelt keineswegs an „Arbeit“, sondern nur an dem Willen, für die zu erledigenden Arbeiten Geld auszugeben. Entsprechend wird auch ein neues Gesellschaftssystem gebraucht, bei dem jeder Mensch leben kann und seinen Beitrag zum Allgemeinwohl leistet. Es war jedoch leider noch nie eine Eigenschaft des Menschen, solche Transformationen sanft und vernünftig umzusetzen. Die Geschichtsbücher sind voll von Beschreibungen untergegangener Imperien und Kulturen. Gelernt hat man daraus nie.
Es wäre also weit sinnvoller, die Messeinrichtung zu verändern, als Dinge gegeneinander aufzuwiegen, deren Gewicht nicht greifbar ist. Schaffen wir den Wandel? Versuchen sollten wir es zumindest immer wieder.
Clark
im Juni 2023
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